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Finanzielle Perspektivlosigkeit der Kommunen: Offener Brief von Herrn Landrat Martin Neumeyer und Frau Landrätin Tanja Schweiger

24. Juli 2025: In diesem Artikel können Sie den Offenen Brief nachlesen.

Landrat Martin Neumeyer und Landrätin Tanja Schweiger (Landkreis Regensburg) wenden sich mit einem Offenen Brief, der die finanzielle Perspektivlosigkeit der Kommunen zum Inhalt hat, an Herrn Bundeskanzler Friedrich Merz, Herrn Bundesminister des Innern Alexander Dobrindt und Herrn Ministerpräsident Dr. Markus Söder. Das Schreiben im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Merz,
Sehr geehrter Herr Bundesminister des Innern Dobrindt,
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Söder,

wir wenden uns heute an Sie, weil wir die Situation der Kommunen als aussichtslos bewerten und aktuell keine Aussicht auf Änderung auf Bundes- oder Landesebene sehen.

Als langjährige Landräte unserer Kreise sind wir mit einer sich stetig zuspitzenden finanziellen Situation konfrontiert. Konkret möchten wir Ihnen die Situation im Bereich der Sozial- und Jugendhilfe darlegen.

2017 wurde das Bundesteilhabegesetz eingeführt, es ist in vier Stufen in Kraft getreten. Die Kommunen hatten damals Sorge, dass zusätzliche Aufgaben und auch Ausgaben auf sie zukommen. Innerhalb des Landkreistages wurde offen diskutiert, ob man gegen den Freistaat klagen soll, weil wir die Konnexität in Gefahr sahen. Viele waren der Meinung, dass das Bundesteilhabegesetz über die Länder die Kommunen belastet und dies konnexitätsrelevant sei. Aufgrund der guten Beziehung zwischen den bayerischen Kommunen und der bayerischen Staatsregierung gab es damals keine Entscheidung, hier den Klageweg zu beschreiten. Man hat sich aber verständigt, die Situation zu beobachten.

Es bleibt festzuhalten: Bundesgesetze, wie das Bundesteilhabgesetz, bürden den Kommunen immer mehr Aufgaben auf, die oft den bürokratischen Aufwand erhöhen. Hinzu kommen signifikant steigende Fallzahlen in den Bereichen der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Ausgaben der Bezirke Oberpfalz und Niederbayern für die Eingliederungshilfe signifikant angewachsen sind und die Mitfinanzierung von Bund und Land sukzessive zurückgeht. Als Beispiel sei das Anwachsen der Ausgaben des Bezirks Oberpfalz von 240 Millionen Euro (2018) auf rund 390 Millionen Euro (2025) zu nennen.

Aufgrund dieser Kostensteigerungen setzt sich eine Spirale in Gang, die in dramatischer finanzieller Weise auf die Landkreise durchschlägt – und zuletzt auch die Gemeinden enorm betrifft: Der Bezirk Niederbayern hat seinen Umlagesatz um 1,4 Prozent erhöht, der Bezirk Oberpfalz um gar 3,9 Prozent, um einen ausgeglichenen Haushalt 2025 vorlegen zu können. Mit 37,6 Millionen Euro ist die Bezirksumlage der größte Ausgabeposten im Kelheimer Kreishaushalt, mit 62,1 Millionen Euro der Größte im Landkreis Regensburg.

Was sich auf Bezirksebene darstellt, spiegelt sich in unseren Landkreisen im Bereich der Jugendhilfe wieder. Eine der größten Herausforderungen unserer Haushalte ist die Finanzierung der anfallenden Kosten in diesem Bereich. Kostensteigerungen im laufenden Jahr durch steigende Fallzahlen und steigende Tarife der Träger, die zum Beispiel Schulbegleitung und andere Dienste für uns erfüllen, führen dazu, dass die Landkreishaushalte in den kommenden Jahren hier noch größere Finanzmittelbedarfe decken müssen. Alleine im Landkreis Kelheim verursacht die Jugendhilfe zusammen mit den anteiligen Personal- und Sachkosten mittlerweile rund 21,4 Millionen Euro – der Reinaufwand ist in den vergangenen zehn Jahren von 6,2 Millionen Euro auf voraussichtlich über 16 Millionen Euro angestiegen. Im Landkreis Regensburg gab es im gleichen Zeitraum eine Steigerung von 14,5 Millionen Euro auf voraussichtlich 42,0 Millionen Euro.

Diese beschriebene Situation bedeutet für unsere Kreishaushalte eine erhebliche Schwächung. Konkret bedeutet dies:

  • Erhöhung der Kreisumlage im Landkreis Kelheim um 1,7 Prozentpunkte auf 51,2 Prozent.
  • Erhöhung der Kreisumlage im Landkreis Regensburg um 5,5 Prozentpunkte auf 49 Prozent.

Alleine durch die Erhöhung der Kreisumlage sowie das Abrufen weiterer Einsparpotenziale ist es uns nur schwer möglich, geordnete Haushaltsverhältnisse herbeizuführen. Die Spielräume für weitere Erhöhungen werden aufgrund der angespannten Haushaltssituation der kreisangehörigen Gemeinden ebenfalls bereits eng.

Sehr geehrte Herren, wir benötigen in vielen Bereichen Veränderungen, weshalb wir Sie eindringlich bitten, uns für unsere Bezirke, Landkreise und vor allen Dingen für unsere Gemeinden eine Perspektive aufzuzeigen, ab wann und wie sich diese Spirale ändern soll. Die Gesetzesinitiative liegt auf Bundes- und Landesebene.
Wir bitten Sie daher, sich dafür einzusetzen, dass die Ursprungsaufteilung der Kosten für die Eingliederungshilfe zumindest bei 35 Prozent verbleibt. Sogar von den Verbänden wurde 2018 vorgebracht, dass der Inhalt des Bundesteilhabegesetzes mit dieser Finanzierung nicht möglich ist.

Wie sieht die Perspektive für die kommenden Jahre aus? Welche Maßnahmen ergreifen Bundes- und Staatsregierung für ihre Landkreise und Gemeinden?

Mit freundlichen Grüßen

Martin Neumeyer (Landrat Landkreis Kelheim), Tanja Schweiger (Landrätin Landkreis Regensburg)